Frank Michalk im Interview

30. Mär 2023

Gemeinsames Agieren hat einen großen Einfluss auf Nachhaltigkeit

Knopfdruck im Gespräch mit Frank Michalk, Director Sales & Business Development bei der LOGENIOS eG

Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema mehr – ob in ökologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht. Hat im Transportwesen bereits ein Wandel eingesetzt? Handeln Unternehmen heute nachhaltig(er)?

Grundsätzlich natürlich: ja. Aber da ist in allen Bereichen noch viel Luft nach oben. Und zudem muss man sehen, von welcher Form von Nachhaltigkeit wir sprechen. Wir bei LOGENIOS versuchen vorrangig, Nachhaltigkeit im Sinne von Arbeitserleichterung durch digitale Prozessoptimierung für unsere Kunden zu erzeugen. Diese wirtschaftliche Nachhaltigkeit führt letzten Endes auch zu ökologisch nachhaltigerem Wirtschaften, indem beispielsweise Leerfahrten vermieden werden.

Wirtschaftlich nachhaltig zu handeln, beschränkt sich jedoch nicht darauf, den eigenen Co2-Ausstoß zu verringern. Welchen Stellenwert hat für Sie dabei ein gemeinsames Agieren von Unternehmen?

Gemeinsames Agieren hat selbstverständlich einen großen Einfluss auf Nachhaltigkeit. Beispielsweise können sich Speditionsverbünde die vorhandenen Ressourcen teilen. Wer hier gemeinschaftlich auftritt, kann seinen Kunden Serviceleistungen bieten, die ansonsten für die einzelne Speditionen aus dem Verbund niemals zu leisten wären.

Wobei ich sagen muss, dass die eigentliche Nachhaltigkeit immer erst im Tagesgeschäft entsteht, dort wo tatsächlich gehandelt wird. Meine persönliche Erfahrung zeigt mir, dass kleinere Verbünde aus vielleicht drei oder vier Speditionen sehr viel agiler und damit nachhaltiger ihr Tagesgeschäft gemeinschaftlich bestreiten, als dies ein großer Verbund oftmals schafft. Je größer die Einheiten sind, desto häufiger wird gemeinsames Agieren zu einer Floskel und ist kein gelebtes Tagesgeschäft mehr.

LOGENIOS verfolgt das Ziel, alle an der Logistikkette beteiligten Akteure zu vernetzen. Beschreiben Sie die Vision kurz.

LOGENIOS will mittelständischen Logistikunternehmen, Spediteuren und Frachtführern die Möglichkeit geben, an den Digitalisierungsprozessen teilzunehmen, die seitens der Verlader und der Industrie an sie herangetragen werden. Denn für Logistikunternehmen ist es oft unwirtschaftlich, zu jedem Verlader und dessen IT-System eine eigene Schnittstelle programmieren zu lassen, wenn häufig die Verträge nur ein bis zwei Jahre laufen. Hier ist unsere Vision die Genossenschaft, denn dadurch müssen wir die jeweiligen IT-Schnittstellen nur einmal programmieren und können sie dann unter den Genossenschaftsmitgliedern teilen. Und diese gemeinschaftliche Vernetzung hört nicht bei „ERP-System zu TMS“ auf, sondern dehnt sich auch auf die Schnittstellenanbindung an Plattformen wie Transporeon/ Sixfold, Shippeo, FourKites oder project44 aus. Die Mitglieder können mitentscheiden, wohin sich LOGENIOS weiterentwickelt.

Wann, an welchen Stellen und warum kommt es noch zu Lücken in der digitalen Datenübertragung?

Teilweise verlangen marktmächtige Verlader rigoros, dass der Frachtführer nur mittels ihrer eigenen App kommuniziert. In Zeiten eines massiven Fahrermangels ist das ständige Wechseln von Apps zwischen den Auftragsfahrten aber kaum noch zu verlangen. Deswegen denken viele große Verlader hier bereits um. Die Nutzung von Schnittstellen zu Verlader-Apps oder Visibility-Plattformen ermöglicht unseren Anwendern, durchgängig im vertrauten System zu arbeiten, sei es das TMS im Büro oder die Telematik im Lkw. Das spart einfach Zeit und Nerven im Arbeitsalltag.

Begegnen Ihnen Vorbehalte gegenüber der von LOGENIOS praktizierten Vernetzung von Versendern, Transporteuren und Empfängern? Welche Sorgen werden da geäußert?

Auf Seiten der Spediteure stoßen wir manchmal auf ein ausgeprägtes Besitzdenken, was die Telematik-Daten angeht. Da gibt es tatsächlich Speditionen, die ihre Daten an niemanden geben wollen, vermutlich aus Verunsicherung. Denn natürlich kennt niemand den monetären Wert solcher Daten, und niemand möchte sie unter Wert hergeben. Allerdings werden sich solche Spediteure wohl auf Dauer nicht gegen den Trend stemmen können, ohne Kunden zu verlieren. Auch manche Verlader mit großen Industrie-ERP-Systemen haben Zweifel und Sorge, dass ein Herausschicken einzelner Daten aus ihrem System so einfach umzusetzen ist. Diese Angst wird von den ERP-Herstellern auch nicht zerstreut, um ihre Kunden möglichst eng an sich zu binden.

Bringt die nächste Generation mit einem „neuen Digitalverständnis“ eventuell mehr Offenheit mit sich? Weniger Inseldenken und mehr Mut dafür, sich weniger von „Mitbewerbern" abzugrenzen?

Natürlich haben die Jungen einen selbstverständlicheren Umgang mit der Digitalisierung. Ich würde es dennoch nicht am Alter festmachen. Dazu kenne ich zu viele Gegenbeispiele. Ich würde ein Digitalverständnis eher an Unternehmensstrukturen oder der Unternehmensphilosophie festmachen. Die Voraussetzungen für ein Digitalverständnis sind ähnlich wie für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit aus Frage 2. Beides, gemeinsames Agieren und die digitale Transformation, setzen Agilität als Haltung und Unternehmensstruktur voraus. Das funktioniert, wie eben schon beschrieben, in kleinen Verbünden oft besser, denn Größe bremst Agilität leider oft aus. Das mag auch daran liegen, dass in großen Wirtschaftseinheiten das gegenseitige Misstrauen zwischen den Akteuren steigt und das Inseldenken dementsprechend zunimmt.